Warum so wenige Betroffene toxischer Beziehungen in die Sichtbarkeit gehen

Veröffentlicht am 27. April 2025 um 13:30

Aloha liebe*r Leser*In

Nachdem ich im letzten Beitrag über meinen Neuanfang erzählt habe - und wie ich endlich mein Thema gefunden habe, möchte ich heute über etwas sprechen, das mir besonders am Herzen liegt:
Warum gibt es so wenige Menschen, die offen über toxische Beziehungen sprechen?

Toxische Beziehungen hinterlassen oft nicht nur sichtbare, sondern vor allem unsichtbare Narben. Narben auf der Seele, die viele Betroffene mit grosser Scham und Schuld beladen. Lange Zeit glaubte auch ich, dass etwas mit mir nicht stimmen müsse, weil ich in dieser Beziehung geblieben war und Jahre lang an meiner Romantisierung fest hielt. Die Scham darüber, es so lange nicht erkannt zu haben, schnürte mir oft die Kehle zu (und auch heute noch, schaue ich oftmals ungläubig zurück und frage mich, wie ich meine "besten Jahre" an diesen Menschen "verschwenden" konnte...).

Dazu kam die Angst: Was würden andere denken, wenn sie wüssten, was ich erlebt hatte? Würden sie mich für schwach halten? Für naiv? Oder, schlimmer noch: Würde ich erneut in die Rolle gedrängt werden, die ich so lange in der Beziehung selbst erfahren hatte – die der Schuldigen?

Doch die Angst sitzt oft noch tiefer. Viele, die toxische Beziehungen erlebt haben, fürchten nicht nur die Meinung der Außenwelt – sie fürchten auch die Reaktion des Ex-Partners.
Auch ich habe diese Angst lange gespürt. Selbst nachdem ich gegangen war, liess mein damaliger Partner mich nicht wirklich los. Immer wieder suchte er neue Wege, um Kontakt aufzunehmen, sich in mein Leben zu drängen, alte Wunden aufzureissen.
Nicht direktes Stalking, aber ein stetiges, unangenehmes Spüren: Er ist noch da. Er könnte jederzeit wieder versuchen, mich in seine Maschen zu ziehen. Vor allem in schriftlicher Form, so wie er es zu Anfang unserer Bekanntschaft gemacht hat - mit den selben "feinfühligen Texten", mit Bildern von verletzten inneren Kindern. Er zog wirklich nochmals sämtliche Register in dem er versuchte, mich die Social Media Kanäle zu kontaktieren, nach dem ich ihn auf Whatsapp und auch per Mail gesperrt hatte. Zu guter Letzt habe ich deshalb auch alle meine Social Media Kanäle gelöscht...

Diese Erfahrung macht eine Trennung nicht nur schmerzhaft, sondern auch bedrohlich. Und sie macht es schwer, sich zu zeigen, sich zu öffnen, seine Geschichte zu erzählen.

Auch heute noch ist das Thema toxische Beziehungen in unserer Gesellschaft ein Tabu. Es wird lieber weggesehen, heruntergespielt oder stigmatisiert. Wer spricht schon gerne über emotionale Manipulation, Abhängigkeit oder Gaslighting?
Doch genau dieses Schweigen hält die Wunden offen.

Ich selbst habe Jahre gebraucht, um meine Geschichte aus der Scham und der Angst heraus ans Licht zu holen. Um zu erkennen, dass es kein Zeichen von Schwäche ist, verletzt worden zu sein – sondern ein Zeichen von unglaublicher Stärke, sich daraus zu befreien.

Und vielleicht ist genau das die größte Hürde: Sichtbar zu werden bedeutet nicht, sich zum Opfer zu machen. Es bedeutet, sich selbst wieder zuzuhören.
Sich die eigene Geschichte zurückzuholen – nicht, um darin stecken zu bleiben, sondern um die eigene Kraft wiederzufinden.
Wahre Heilung beginnt nicht, wenn wir vergessen, was war, sondern wenn wir aufhören, uns davon definieren zu lassen.

Ich bin heute hier, weil ich daran glaube: Jede Frau, die ihre Geschichte teilt – sei es laut oder leise –, hilft nicht nur sich selbst, sondern auch vielen anderen, die noch in Dunkelheit gefangen sind.

Du bist nicht allein. Und du bist nicht schwach.
Du bist auf dem Weg zurück zu dir.

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