Meine toxische Beziehung
Eigentlich liegt mir das Wort "toxisch" unfassbar fern - aber für diese Beziehung gibt es kein treffenderes Wort und deshalb lasse ich es so stehen.
Aber lest selbst – denn dieses Kapitel war der Tiefpunkt meines Lebens. Und gleichzeitig der Anfang von etwas ganz Neuem.
Es gab einen Moment in meinem Leben, da dachte ich: Jetzt habe ich’s geschafft.
Nach einer langen Phase der Überanpassung, nach wiederholten Rückenbeschwerden, Therapien und einem großen Aufbruch, war ich endlich frei.
Ich hatte meinen damaligen Lebenspartner verlassen (und damit auch meinen ehemaligen "Traum" einer eigenen Familie), mein geliebtes Pferd losgelassen – schweren Herzens – und plante, mir endlich meinen Traum zu erfüllen: eine Solo-Weltreise und mich endlich mehr um meine eigenen Bedürfnisse zu kümmern.
Ich war in Therapie, fand zurück zum Yoga, entdeckte den Sport sowie meine spirituelle Seite wieder für mich – und spürte zum ersten Mal seit langem: Ich bin lebendig.
Und dann – noch vor meiner Reise – begegnete ich ihm.
Ein Mann, der scheinbar genau verstand, wo ich stand.
Feinfühlig, spirituell interessiert, voller Geschichten. Er erzählte von Hypnoseausbildung, Bewusstseinsarbeit, Verletzlichkeit.


Ich war berührt. Und ein kleines bisschen verliebt, noch bevor wir uns sahen.
Ich hatte Grenzen gesetzt: Keine Bindungen, keine Heimlichkeiten.
Er versprach alles – Nichtraucher, treu, feinfühlig.
Rückblickend waren viele kleine Warnzeichen da.
Aber ich war voller Hoffnung. Und auf dem Sprung in mein Abenteuer.
Und so begann ich meine Weltreise – körperlich allein, innerlich gebunden.
Denn seine Worte, seine Nachrichten, seine „Zukunftspläne“ begleiteten mich durch jedes Land.
Ich reiste – aber ich war nicht frei.
Ich sehnte mich nach ihm, nach unserem Wiedersehen, nach der perfekten Geschichte, die wir uns ausmalten.
Er machte mir täglich Hoffnung, mich in Costa Rica zu besuchen (als ob er mir morgen gleich am Strand entgegenlaufen würde.
Er kam natürlich nie.
Und trotzdem: Ich glaubte weiter.
Nach neun Monaten kam ich zurück – voller Sehnsucht.
Und er holte mich vom Flughafen ab: kühl, distanziert, mit einer neuen Geschichte.
Eine „Exfreundin“, die Stress machte.
Eine platonische Frau, die mich angeblich hasste.
Ich verstand nichts – und trotzdem zog ich bei ihm ein.
Wir hatten ja Pläne. Dachte ich.
Was ich bekam: Bier. Zigaretten. Ausreden. Kontrollverhalten.
Und ich?
Ich war in der perfekten Illusion gefangen:
Jetzt endlich lerne ich, mich abzugrenzen.
Stattdessen wurde ich klein gemacht – freundlich, subtil, psychologisch geschickt.
Ich stellte Fragen. Er drehte alles um. Ich begann, an mir zu zweifeln.
Sechs Jahre lang hielt ich durch.
Selbst, als ich ihn nachts bei einer anderen Frau entdeckte.
Selbst, als ich auszog.
Selbst, als ich mich trennte – und doch zurückkam.


Er versprach viel. Und ich wollte glauben.
Ich war nicht schwach – ich war verstrickt.
In Geschichten, Schuldgefühle, Hoffnung.
Bis ich irgendwann nicht mehr konnte.
Ich stellte ihn zur Rede – wieder einmal.
Und diesmal blieb ich. Bei mir.
Er versuchte es weiter – Kontaktversuche über andere Kanäle, emotionale Trigger, scheinbares Mitgefühl.
Einmal sogar mit dem Satz: „Mein Vater liegt im Spital…“
Aber ich blieb standhaft.
Und ich ging. Endgültig.
Es war die schlimmste Zeit meines Lebens –
und vielleicht auch die wichtigste.
Denn sie hat mir gezeigt, wie es sich anfühlt, sich selbst zu verlieren.
Und wie es sich anfühlt, sich Stück für Stück wiederzufinden.
Ohne diese Erfahrung wäre ich heute nicht da, wo ich bin.
Ich teile sie nicht, um zu schockieren.
Ich teile sie, weil ich weiß, dass viele Frauen in ähnlichen Geschichten festhängen.
Und ich möchte dir sagen:
Du bist nicht zu empfindlich. Du bist nicht schwer zu lieben.
Du bist nicht falsch.
Dein Bauchgefühl hat sich nie geirrt.
Und du darfst gehen.
Du darfst zurück zu dir.
In Mini-Schritten. In deinem Tempo. Und mit echtem Mut.
