Über das "nichts-tun" - und weshalb es so wertvoll ist

Veröffentlicht am 24. Juni 2024 um 12:09

Aloha ihr Lieben

 

«Michèle, wann hast du das letzte Mal einfach nichts getan?» - dies fragte mich vor einigen Monaten mein TCM Therapeut. Die Frage entstand aus dem Kontext heraus, dass ich mich ausruhen sollte. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich wirklich begriffen habe, um was es überhaupt wirklich geht. Ich meinte zu ihm, dass ich mich doch ausruhen würde: «Ich meditiere, lese Bücher, praktiziere Yoga, gehe spazieren…». Mein Therapeut schaute mich schmunzelnd an und fragte: «Wann hast du das letzte Mal wirklich nichts getan? Einfach da sein, wie damals als Kind, als du nur dagesessen und Wolken beobachtet hast zum Beispiel…». Da dämmerte es mir: Auch wenn ich Entspannungstechniken praktiziere, so bin ich ständig irgendetwas am machen… Obschon ich vom Wesen her eher introvertiert bin und bereits sehr viel Zeit mit mir alleine verbringe, um Kraft zu schöpfen, so bin ich in dieser «Me time» doch immer irgendetwas am tun: Am Lesen, Yoga praktizieren, Schreiben, Spazieren – mein Geist und mein Gehirn sind dabei jedoch ständig in Bewegung. Und wenn ich mich dann doch einmal im «Nichts-tun» versuche, in meinem Wohlfühl-Ohrensessel sitze und in Ruhe eine Tasse Tee trinken will, spüre ich, wie mein Geist binnen kürzester Zeit unruhig wird und sich diese Unruhe auch in meinen Körper ausbreitet. Plopp – fast schon zwanghaft kommen Gedanken auf, was ich noch alles zu erledigen habe. Je mehr ich versuche, diese Gedanken "loszulassen", um so penetranter klopften sie an und mein Körper wird ganz "hibbelig".

 

Um zurück auf die Frage meines Therapeuten zu kommen: Ich konnte mich tatsächlich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal wirklich absolut nichts getan habe, als einfach «zu sein». Jedoch erinnerte ich mich daran, dass ich dies als Kind sehr gut konnte.

 

Es dauerte eine ganze Weile (mehrere Wochen) bis bei mir der Groschen endgültig fiel: Es geht beim «Nichts tun» darum, etwas ohne Absicht zu tun - um "einfach nur zu sein". Etwas so zu lassen wie es ist, ohne einzugreifen – phu, irgendwie ganz schön verwirrend. Ist das denn nicht eigentlich die Meditation? Ich sinniere weiter und komme zur Einsicht: Nein, denn oftmals stecken hinter der Meditation auch wieder gewisse Absichten wie «besser werden», «länger Sitzen können», oder «den Alltag besser bewältigen können». Irgendwie geht es auch da wieder darum, etwas besser zu können. Da kommt mir doch diesbezüglich gleich ein Satz in den Sinn, welchen ich letzthin im Heft «Yoga World» gelesen habe: «Wenn wir versuchen, Nicht-Tun zu tun, dann ist das ein Paradox. Wir dürfen am Ende also auch das Üben sein lassen, dürfen selbst das Loslassen noch lassen». Irgendwie haben diese Worte eine tröstende Wirkung auf mich und ermuntern mich dazu, das "Nichts-tun" viel mehr zu praktizieren. Einfach am Fluss sitzen und beobachten, wie das Wasser fliesst; mich unter einen frisch blühenden Lindenbaum legen und den betörenden Duft dieser Blüten geniessen; zum Himmel schauen und die Wolken bestaunen, wie sie sich immer wieder verändern - achtsam sein im "hier und jetzt" und mir bewusst sein, dass alles gut ist, wie es ist. 

 

Ist es nicht komisch? Oftmals sehnen wir uns in unserer hektischen und lauten Welt nach «Ruhe und Nichts-Tun» - aber kaum haben wir die Gelegenheit dazu, werden wir unruhig, nervös und allenfalls so richtig grantig: Dann zum Beispiel, wenn wir in einer langen Schlange vor der Kasse oder mit dem Auto im Stau stehen – wären dies nicht auch gute Gelegenheiten fürs «Nichts-Tun» ? Und: Weshalb hat das «Nichts-Tun» in unserer Gesellschaft einen derart schlechten Ruf, obschon es für unsere geistige und körperliche Gesundheit essenziell wäre?

 

Habt eine wunderbare Woche

 

eure Michèle

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Kommentare

Daniela Fischer
Vor 9 Monate

Liebe Michèle
Danke für den tollen Blog. Es ist schön, in der von Vlogs und Influencern geprägten Welt wieder mal etwas kures und interessantes lesen zu können.
Lg Daniela
Ps. Die Rubrik Mindfulness Blog enthält einen Tippfehler

Michèle (Autorin)
Vor 9 Monate

Liebe Daniela

Tausend Dank für deine lieben Zeilen, welche mich natürlich sehr freuen und ermutigen :-)

Ou hoppla - und natürlich merci noch für den Hinweis, betreffend des Tippfehlers, welchen ich gleich ausgemerzt habe.

Herzliche Grüsse

Michèle